dr. jur. Hubert Lang

Varia

Christa Gottschalk wird 80!

(und wir sind dabei gewesen)

Der Herr Intendant, Wolfgang Engel, hatte zur Matinee geladen und (fast) alle, alle kamen. Es war ein Strömen in die heiligen Hallen in der Bosestraße wie wohl lange nicht. Das Publikum erreichte durchschnittlich in etwa das Alter der Jubilarin, aber das ist bei derartigen Gelegenheiten bei realistischer Betrachtung auch nicht anders zu erwarten.

Man sah bekannte und altbekannte Gesichter. Trotzdem war es nicht das Publikum, welches sich in der Leipziger Provinz als „very important“ versteht und sich deshalb bei jedem Empfang am Büfett drängelt und das mehr oder weniger verlebte Gesicht in jede Kamera halten muss.

Es herrschte also eine entspannte, erwartungsvolle Atmosphäre im Zuschauerraum. Es gab viele freudige Begrüßungen und man konnte sogar nach langer Zeit wieder einmal die unnachahmliche Lache der Schmittern hören. Das Leipziger Bildungsbürgertum im besten Sinne des Wortes, welches seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts mehr den Schauspielern, als dem Theater die Treue gehalten hatte, war präsent.

Der Intendant wurde freundlich als unvermeidliches Vorprogramm begrüßt und dann kam der ersehnte Augenblick: Der Auftritt der Gottschalk! Das gesamte Publikum erhob sich von den Plätzen überschüttete die Jubilarin mit dem Goldregen des Schauspielers: von Herzen kommender Beifall.

Das hatte wohl auch damit zu tun, dass sofort ein Wiedererkennen stattfand. Das meint nicht das rein Äußerliche, denn schließlich ist das Gesicht der Gottschalk durchaus noch präsent. Gemeint ist das Wiedererkennen des Habitus, mit dem die Schauspielerin die Bühne auch als Privatperson betritt: eine ehrliche selbstverständliche Bescheidenheit, die mit gesundem Selbstbewusstsein Hand in Hand geht.

Es muss vielleicht nicht unbedingt gesagt werden, dass Christa Gottschalk blendend aussah – ohne jeden Nachsatz und ohne jedes wenn und aber.

Das Kostüm war perfekt gewählt. Die schlanke perfekt sitzende Hose, die sofort an die Beine der Marlene Dietrich denken ließ. Und dazu ein kurzes schwarzes Jäckchen, welches durch sein unaufdringliches Glitzern die angemessene Festlichkeit des Augenblicks herstellte.

Hellen Mirren hat der Queen dafür gedankt, dass sie ihre Frisur über all die Jahre unverändert gelassen und uns damit ein Stück Sicherheit in dieser rastlosen Zeit gegeben hat. So müssen wir einen gleichen Dank an die Gottschalk richten. Die Frisur war gepflegt, aber unprätentiös – wie immer.

Mit einer feinfühligen Geste sorgte die Jubilarin dafür, dass der Beifall ein gewisses Maß nicht überschritt.

Nun las der Intendant dem Wunsch der Gottschalk folgend die Rede von Tucholsky über die Schauspieler vor. Leider nutzte Engel diesen Text nicht für einen furiosen oder wenigstens überzeugenden letzten Auftritt als Chef des Hauses. Der brisante Text blieb merkwürdig uninspiriert und emotionslos. Schade!

Dem folgte der Auftritt einer „jungen“ Kollegin: Claudia Wenzel. Sie mag eine gute Freundin der Gottschalk sein, aber sie kann ihr doch letztendlich nicht das Wasser reichen. Was bei der einen Haltung ist, ist bei der anderen Attitüde. Wenn sich diese Attitüde dann auch noch im mehr oder weniger Lasziven erschöpft, wird es dann schnell ärgerlich.

Schon das uniformähnliche Tweedkostüm komplettiert mit hochhackigen Stiefeln ließ nichts Gutes ahnen. Das eine ausgebildete Schauspielerin leidlich singen kann, sollte eigentlich keiner Erwähnung wert sein. Frau Wenzel hatte sich für „Jonny, weil du Geburtstag hast …“ mit rauchiger Stimme entschieden. Jonny wurde natürlich – wie bei derartigen Anlässen immer wieder gern gemacht – auf Christa umgereimt. Mancher mag die Luft angehalten und gewünscht haben, dass sich die Erde auftun möge, als sie sich tatsächlich mit oben beschriebener lasziver Bewegung der Gottschalk bedenklich näherte und sang: „ich bleib bei Dir die ganze Nacht“. Ist das die Möglichkeit? Wir sagen: Nein! Auch diese Zumutung hat Christa Gottschalk freundlich und souverän weg gelächelt.

Aber auch das ließ Christa Gottschalk von ihrem Platz in der Mitte der Bühne wohlwollend vorbei gehen. Sie hatte – wie das Publikum – auch keine Zeit dem Vortrag lange nachzutrauern, denn es folgte der Auftritt von Friedhelm Eberle. Dieser kann nur als grandios bezeichnet werden. Da trafen sich zwei Charakterdarsteller auf einer Ebene und es herrschte die reine Harmonie. Eberle bewies, dass er auch eigene Geschichten schreiben und charmant ans Publikum bringen kann. Die Erinnerung an die gemeinsamen „Verhältnisse“ auf der Bühne verleitete die Vollblutschauspieler guter alter Schule zu spontanen Improvisationen und die Zuschauer zu Ausrufen der Begeisterung.

Als das dann doch zu Ende ging, war die Stimmung im Saal nicht mehr zu steigern. Entgegen der ausdrücklichen Bitte musste aber dann der unsägliche Helmut Klotz auf die Bühne stürmen, um der Jubilarin seine Aufwartung vor versammeltem Publikum zu machen.

Das wohlerzogene Leipziger Bildungsbürgertum gratulierte dann doch lieber im Vestibül des Schauspielhauses, wo sich sehr bald eine lange Schlange bildete. Ganz am Schluss dann auch die unvergessene 90jährige Renate Drucker, die mit bescheidener Grandezza der hochverehrten zehn Jahre jüngeren Schauspielerin Dank und Anerkennung aussprach.