dr. jur. Hubert Lang

Zwischen allen Stühlen Juristen jüdischer Herkunft in Leipzig (1848-1953)

Mit diesen Ergänzungen und Korrekturen zu den 2014 veröffentlichten Biogrammen sollen Nutzern des Buches neueste Erkenntnisse zu den dargestellten Juristen jüdischer Herkunft zur Verfügung gestellt werden. Die Texte beziehen sich auf die Numerierungen in den Biogrammen im Buch.

Karl Kohn wurde als Sohn des Kaufmanns Alfred Kohn (*1875) und dessen Ehefrau Adele (* 1870) geboren. Er hatte zwei Schwestern: die Angestellte Grete verh. Keme­ny (*1905) und Trude verh. Maltenfort (* 1912). K. war verheiratet mit der Pädagogin Marianna Senta geb. Meier (* 1901). Aus dieser Ehe ging die Tochter Eva Maria (* 1936) hervor.

K. besuchte zunächst bis 1915 die Volksschule und an­schließend bis 1923 das deutsche Realgymnasium in seiner Geburtsstadt. Noch im gleichen Jahr begann er ein rechts- und staatswissenschaftliches Studium in Prag, welches er 1928 abschloss.

K. war dann als Rechtsanwaltsanwärter in verschiedenen Anwaltskanzleien in Böhmen tätig. Nachdem er 1933 seine Anwaltsprüfung abgelegt hatte wurde er als Rechtsanwalt in Teplitz-Schönau zugelassen. Bis 1935 war K. Teilhaber in der Kanzlei von Dr. Franz Frank. Anschließend übte er seine Anwaltstätigkeit in eigener Kanzlei aus.

1936 trat K. der deutschen Sozialdemokratischen Partei der CSR bei. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der „Li­ga für Menschenrechte“. Als Anwalt war er in dieser Zeit auch für die „Rote Hilfe“ tätig.

K. war wegen seiner jüdischen Herkunft, aber auch aus politischen Gründen, gezwungen, im September 1938 das Sudentenland zu verlassen. Er floh zunächst mit seiner Familie nach Prag und von dort Anfang 1939 nach England. Hier schloss sich K. der kommunistischen Partei der CSR an..

Dort war seine Frau als Leiterin eines Heimes für Flüchtlingskinder tätig. K. selbst musste sich dort zunächst als Hausmeister und Gärtner verdingen. Ab 1940 arbeitete er als Buchprüfer bei verschiedenen Arbeitgebern.

In Oktober 1945 gelang seine Repatriierung. Dort wurde er durch die KPTsche nach Deutschland geschickt. Hier kam er in Verbindung mit dem Sächsischen Generalstaats­anwalt Schröder, der ihn wiederum im Februar 1946 zum Staatsanwalt in Leipzig ernannte. Die Position hatte er jedoch nur bis zum April des gleichen Jahres inne.

Danach wechselte K. zur Generalstaatsanwaltschaft Sach­sen in Dresden. In dieser Position vertrat er im Juni/Juli 1947 die Anklage in Dresdener Euthanasie-Prozess gegen 19 Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern der Anstalten Großschweidnitz und Pirna-Sonnenstein wegen Mordes im Rahmen der berüchtigten T4-Aktion. Zwei Ärzte und auch zwei Pfleger wurden zum Tode verurteilt.

Im gleichen Jahr nahm er in Briefen an den Nervenarzt Rudolf Klimmer (1905-1977) Stellung zur Frage der Straf­barkeit der Homosexualität. Im Jahr 1948 erstattete K. Strafanzeige beim Generalstaatsanwalt Thüringen gegen den Psychiater Rudolf Lemke (1906-1957) wegen dessen Äu­ßerungen zur Bekämpfung der Homosexualität. K. nannte ihn einen überzeugten Anhänger der nationalsozialisti­schen Gewaltherrschaft.

K. trat 1948 als Anklagevertreter in dem Prozess gegen Textilfabrikanten in Glauchau-Meerane auf.

Am 23.02.1950 wurde vom SED-Sekretariat Kohns Einsatz bei der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR beschlossen. Jedoch bereits im Frühjahr 1952 schied er aus der Staatsanwaltschaft wieder aus und wechselte für wenige Monate am 31.03.1952 als Stellvertretender Vorsitzender zum Zentralen Vertragsgericht.

Später war K. als Rechtsanwalt in Berlin zugelassen. In dieser Zeit ist er als Vertreter von Stefan Heym und von Robert Havemann nachweisbar.

K. war seit 1946 Mitglied der KPD und – nach der Verei­nigung mit der SPD – der SED. Seit 1950 besaß er die Staatsbürgerschaft der DDR.

Quellen und bibliographische Nachweise zur Person:

Clemens Vollnhals/Jörg Osterloh (Hrsg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit: Besatzungszeit, frühe Bundesre­publik und DDR, Göttingen 2012; Hermann Wentker: Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953: Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen. Veröffentlichungen zur SBZ-/DDR-Forschung im Institut für Zeitgeschichte, Oldenburg 2009; Wolfgang Mader: Der Genozid aufgrund der sexuellen Orientierung in der DDR, Norderstedt 2019; https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Lemke (12.07.2021).