Anlagen
Es ist in Deutschland folgendes möglich:
Die Nöte dieser Zeit waren so groß und fühlbar geworden, daß man nicht umhin konnte, auch ein winziges für die Rechtsanwälte zu tun, um die sich sonst – sind sie doch nur geistige Arbeiter und streikungefährlich! – kein Teufel kümmert. Also beschloß am, die Pauschalsätze , d. h. die Totalvergütungen, die der Sachwalter als Abgeltung seiner Schreib- und Portoausgaben erhält, um ganze 50 % zu erhöhen. Das gescah am 19. Juni dieses gesegneten Jahres. Das Gesetz, das die genannte Erhöhung aussprach, wurde aber erst – vier Wochen später verkündet, als die Erhöhung längste nicht mehr zeitgemäß war. Wenn die Abortgrubenräumer bessere Tarife fordern und mir Streik drohen, wird sofort Tag und Nacht beraten, wie ihnen zu helfen sei, und ihren Forderungen wird unverzüglich Gehör und Bewilligung gegeben. Der geistige Arbeiter mag vor die Hunde gehen! Warum wird er nicht Kanalisationsarbeiter? Uebrigens gibt es schon Anwälte, die sich diesem Berufe zugewandt haben, ohne daß ihnen ihre akademische Vorbildung besonders hinderlich gewesen wäre.
Es ist in Deutschland folgendes möglich:
Wir haben eine prima Wuchergesetzgebung. Deren Hauptaufgabe ist es, Preistreibereivergehen besonders rasch zu untersuchen. Daß trotzdem in einer Weise gewuchert wird, die ihresgleichen in der zivilisierten Welt nicht findet, versteht sich von selbst. Nun hatte die Staatsanwaltschaft einer deutschen Provinzgroßstadt im Oktober vorigen Jahres Wind bekommen, daß ein Fabrikant sich auf unrechtmäßige Weise bereichere. Die Folge war die Beschlagnahme eines erheblichen Teiles seines Warenlagers. Seitdem wird andauernd untersucht, scheinbar jedoch langen die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Forschung nicht aus. Man sollte meinen, daß entweder die Einstellung des Verfahrens oder die Erhebung der Anklage erfolgen würde. Nichts geschieht. Weder – noch. Wenn nun – woran kaum zu zweifeln ist – eines Tages die Aufhebung der Warenbeschlagnahme erfolgt, sind die durch gerichtliche Vinkulation festgelegten Artikel so wertvoll geworden, daß sie der Fabrikant mit ungeheurem, nie erahnten Profit veräußern wird. Ohne daß man ihn des Wuchers wird verdächtigen dürfen. Es ist wie ehemals mit gewissen Theaterstücken: erst wenn der Zensor sie verboten hatte, machten sie volle Kassen. Man faßt sich an den Kopf, um festzustellen, daß er trotz enormer Verlustgefahr noch da ist.
Es ist in Deutschland folgendes möglich:
Für irgendjemanden wird in seiner Abwesenheit ein eingeschriebener Brief vorgezeigt. Da der Jemand, wie gesagt, nicht vorhanden ist, nimmt der Briefträger das Schreiben wieder mit, hinterläßt aber einen sogenannten Benachrichtigungszettel mit der Aufforderung, der Adressat möge den Brief persönlich in der Hauptpost abholen. Das tut er. Bei dieser Gelegenheit stellt zufällig der Schalterbeamte fest, daß für den gleichen Adressaten ein zweiter Einschreibebrief seit – zehn Tagen auf der Post liegt. Dieser war ihm gleichfalls in seiner Abwesenheit vorgezeigt worden, der Briefträger hat es jedoch unterlassen, eine Benachrichtigung abzugeben. Einschreibebriefe sind im allgemeinen wichtig. Sie kosten auch so viel, wie früher eine Villa mit Springbrunnen und Autogarage samt Auto. Macht nichts. Wenn ein Briefträger seiner Instruktion zuwider handelt, muß irgendeine göttliche Allmacht eingreifen, damit der Adressat seinen Brief bekommt. Man könnte sich beschweren, aber – – wer lacht da?