dr. jur. Hubert Lang

Hans Bachwitz

Kapitel

  • Hans Bachwitz „Allerhand Lustiges über allerhand Trauriges“

Der Autor der hier nach über 90 Jahren erstmals wieder publizierten Erzählungen wurde als Hans Bauchwitz am 1. August 1882 in Leipzigs Rosenthalgasse 15/16 geboren. Seine Eltern waren der jüdische Kaufmann Simon (abweichend auch Salomon) Bauchwitz (1852-1908) und Au­guste geborene Silberstein (1860-1928). Er blieb das einzige Kind, was in der damaligen Zeit auch für jüdische Familien eher ungewöhnlich war. Manche Tragik seines Lebens mag schon hierin angelegt gewesen sein, denn die Erwartungen der Eltern an ihr einziges Kind waren wohl hoch gesteckt.
Als problematisch muss der spätere Humorist schon sehr früh seinen Namen empfunden haben, denn es gibt zumindest Indizien, dass er tatsächlich wohlbe­leibt war. Leider gibt es kein Foto, das Gewissheit über die „Architektur seiner äußeren Persönlichkeit“ verschaffen könnte. Die Fami­lie gehörte zu den Juden, welchen zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger diffamierende Familiennamen übergestülpt wurden. Der Vater war in Meseritz geboren. Diese, heute polnische Stadt, gehörte damals zu Preußen. Im Jahr 1859 lebten dort 171 Juden. Im Landkreis Meseritz liegt auch ein Dorf, welches deutsch Bauchwitz hieß. Auf diesen Dorfnamen soll der Familienname zurück gehen. Es hat aber nichts mit den deutschen Worten „Bauch“ und „Witz“ zu tun, sondern ist lediglich eine lautsprachliche Verdeutschung des polnischen Dorfnamens Bukowiec, was korrekt ins deutsche übersetzt Buchendorf heißt.
Trotzdem nannte sich auch der einzige Sohn noch bis 1920 Bauch­witz. Erst dann beantragte er formell die Änderung seines Namens, welche das Sächsische Ministerium des Innern in Dresden am 21.07.1920 genehmigte. In diesem Zusammenhang wurde eines der typischen Leipziger Bonmots kolportiert. Der ursprüngliche Antrag den Namen in „Buchwitz“ zu ändern, sei vom Ministerium abgelehnt worden, denn die Bücher des Antragstellers seien nicht witzig. Die Mutter war der Überlieferung nach entrüstet über die Namensänderung des einzigen Sprösslings und soll bis zum Tod ihres Sohnes jeden Kontakt mit ihm abgebrochen haben. Die mütterlichen Großeltern lebten in Mosina/Moschin, wo die Mutter noch geboren wurde, zuletzt aber in Posen.
Die Lebensverhältnisse der Familie scheinen solide, aber nicht übermäßig sicher gewesen zu sein. Die Berufsbezeichnung „Kaufmann“ des Vaters konnte sehr viel bedeuten. Er war zweitweise Inhaber einer kleinen Fellhandlung am Brühl, die aber in Konkurs ging. Aus den überlieferten Akten ergibt sich, dass der Vater viel auf Reisen war. Also war er wohl einer der zahlreichen Vertreter, welche Waren verschiedener Art anboten. Dazu passt auch die damalige Wohnadresse der Familie: Nordstraße 48.
Relativ spät, nämlich mit zwanzig Jahren, begann Hans Bachwitz 1902 in Leipzig sein Jurastudium, das er, nach einem Semester in Berlin, drei Jahre später auch hier abschloss.

Nach Aktenlage bestand er 1905 problemlos die erste juristische Staatsprüfung. Daraufhin beantragte er die Zulassung zum juristi­schen Vorbereitungsdienst. Er bat das Königlich sächsische Justiz­ministerium, ihn an das Amtsgericht Leipzig zuzuweisen. Die Gründe hierfür lagen in den ständigen Reisen seines Vaters, wodurch seine Mutter ansonsten ganz allein dastehen würde. Außerdem verwies der Referendar auf die beschränkten Vermögensverhältnisse seiner Fami­lie und die Tatsache, dass eine Ableistung des Vorbreitungsdiens­tes außerhalb Leipzigs erhöhte Unterhaltskosten verursachen würde. Die ebenfalls zum Vorbereitungsdienst gehörende Anwaltsstation leistete Hans Bachwitz bis April 1909 in der Leipziger Sozietät von Dr. Julius Wachtel (1860-1937) und Dr. Willy Kaufmann (1874-1942) ab.
Bereits zwei Jahre zuvor – also 1907 – hatte sich Hans Bachwitz an der Leipziger Juristenfakultät mit dem Thema „Der Rechtsschutz des Pseudonyms insbesondere nach dem bürgerlichen Gesetzbuche“ zum Dr. jur. pro­moviert. Die Arbeit wurde mit dem Prädikat „rite“ bewertet. Das Thema seiner Arbeit spiegelte bereits die literarischen Ambitio­nen, denn der Promovend wird selbst später immer wieder auch Ar­beiten unter Pseudonym ver­öffentlichen: nämlich als Hanns Plank (Der Sühneprinz, 1904), Dr. Hans Hall (Der tolle Kosak, 1912 und Der kleine Salon, 1914), Walter Heim (gemeinsam mit Fritz Mack, Die leichtbekleidete Adele, 1926), Lajos Luria (Die Glatze und der Bubikopf, 1926) und Pickwick. Für sein Lustspiel „Die Glatze und der Bubikopf“ wurde der Klarname von Bachwitz sowie allen unmittelbar Beteiligten sehr streng gewahrt. Damit wurden viele Theaterkritiker in die Irre geführt, die von einem ungarischen Verfasser oder „dem aus dem Ungarischen stammenden Lustspiel“ (Badener Zeitung vom 25.09.1926, S. 5) schrieben. Anläßlich der Aufführungen in Loeben 1927 schrieb die Presse von der großen Neuheit des „bekannten Autors Lajos Luria“ (in: Arbeiterwille vom 18.08.1927, S. 9).  An anderer Stelle heißt es dagegen: „Luria ist ein bisher unbeschriebenes Blatt in der Bühnenliteratur“ (Pilsner Tagblatt vom 27.01.1927. S. 2). Auch die wahre Identität von „Dr. Hans Hall“, der ein „Leipziger Schriftsteller“ gewesen sein soll, blieb den meisten verborgen.

© Buchtitel

Der Vater starb erst 56-jährig im Jahr 1908. Plötzlich standen Mut­ter und Sohn ohne Ernährer da und waren auf die Unterstützung ent­fernter Verwandter angewiesen. Nur mit deren Hilfe war die Beendi­gung der juristischen Ausbildung möglich. Unter diesen Umständen war es wohl fast folgerichtig, dass Bachwitz die zweite juristi­sche Staatsprüfung im November 1909 nicht bestand und auch seine eingereichten schriftlichen Arbeiten 1911 zurückgewiesen wurden. Erst im Dezember 1912 – also zehn Jahre nach Aufnahme seines Stu­diums!  – bestand Bachwitz im zweiten Anlauf die große Staatsprü­fung und konnte seine Zulassung zur Anwaltschaft beantragen.
Hans Bachwitz  hatte wenige Tage vor dem Prüfungsdesaster – nämlich am 4. November 1909 geheiratet, nachdem das Paar sich im Juli des Vorjahres verlobt hatte. Seine fünf Jahre jüngere Frau Flora geborene Littauer (in der Heiratsurkunde abweichend: Litauer) stammte aus Lodz. Als Trauzeugen bezeugten der Schwiegervater und der Rechtsanwalt Max Breit, bei dem Bachwitz zu dieser Zeit seinen Vorbereitsdienst absolvierte, die erfolgte Eheschließung vor dem Leipziger Standesamt.
Flora Littauer brachte ein ansehnliches Vermögen mit in die Ehe, denn ihr Vater Hilary Littauer war in Lodz ein sehr erfolgreicher Fabrikant. Ihre Mutter Dora geb. Beckmann war 1908 in Leipzig gestorben und in der aus diesem Anlass angelegten Familiengrabstätte Littauer auf dem Alten Jüdischen Friedhof beigesetzt worden. Die Braut gab sich bezüglich des leichtfertigen Verhältnisses ihres Bräutigams zum Geld keinen Illusionen hin. Jedenfalls schlossen die Brautleute einen Ehevertrag, welcher strikte Gütertrennung vorsah. Im besten Juris­tendeutsch hieß es kategorisch in dem Ehevertrag: „Das Nieß­brauchs- und Verwaltungsrecht des Ehemannes am Vermögen der Ehe­frau wird ausgeschlossen. Der überlebende Ehegatte erhält nur das Pflichtteil.“ Vielleicht wollten beide Seiten ihr Vermögen sichern. Die Braut ihr vorhandenes Vermögen und der Bräutigam den erhofften Geldsegen aus künftigen Tantiemen. Doch alles war vergebens. Die Mitgift löste sich in der Inflation auf wie der Schnee in der Sonne, und der Autor wurde wie viele seiner Leidensgenossen zwar erfolgreich, aber eben nicht reich.
Nach acht Ehejahren war aber offenbar das wechselseitige Miss­trauen gewichen, denn die Eheleute hoben 1917 den Ehevertrag auf und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Zwei Jahre zuvor hatte Flora Bauchwitz gegen die Fa. Goldberg & Littauer geklagt, da diese ihr aus dem Nachlass ihres 1912 verstorbenen Vaters 27.000,00 Mark vorenthalte.

Juristen lieben es nicht erst seit dem Advokaten Goethe, ihren Be­rufsstand mit bedeutenden Künstlern zu schmücken und aufzuwerten. Dabei geht es auch immer wieder um die Gretchenfrage, wel­chen Einfluss die Juristerei auf die künstlerische Arbeit ausübte. Das zielt meistens mehr oder weniger darauf ab, gegen das Vorur­teil des staubtrockenen Juristen zu agitieren und die Kreativität dieses Berufstandes unter Beweis zu stellen.
Für solche Ambitionen ist Hans Bach­witz jedoch denkbar ungeeignet, denn vieles spricht da­für, dass er nur seinen Eltern zuliebe überhaupt eine juristische Ausbildung begann. Dann sind es sicher die finanziellen Probleme nach dem frühen Tod des Vaters gewesen, welche es notwendig machten, dass Hans Bach­witz als Anwalt Geld verdiente.
Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt am Amts- und Landgericht in Leipzig trat Bachwitz in die Anwaltspraxis von Gustav Broda (1845-1912) ein, der ein hoch angesehener und erfolgreicher Strafvertei­diger war. Nach dessen Tod war er mit Leopold Waldheim (1864-1942) und Rudolf Da­litz (1883-1931) assoziiert. Der Seniorpartner Leo­pold Waldheim kam in Theresienstadt ums Leben. Dalitz dagegen war einer der frühen aktiven Nationalsozialisten in Leipzig und ein notorischer Spieler. Er veruntreute hierfür Gelder seines blinden Senior­partners und nahm sich dann das Leben.
Ab einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt war Bachwitz als Syndikus des Operettentheaters in der Bosestraße, wo auch die meisten seiner Bühnenstücke aufgeführt wurden, tätig. Bei den ständigen Finanzsorgen dieses Privattheaters dürfte Bachwitz dort nicht viel verdient haben. Die Inflation traf ihn deshalb besonders hart, denn die Theater zahlten kaum noch Tantiemen und wenn sie denn einmal eingingen, war das Geld längst wertlos geworden.
In dieser Zeit schrieb Bachwitz wieder verstärkt Erzählungen und Romane, die fast ausschließlich im Leipziger Goldmann-Verlag er­schienen. In diesen Erzählungen hat Bachwitz seinen Juristenberuf nie verhehlt, sondern hierauf immer wieder Bezug genommen. Das konnte auch gar nicht anders sein, denn sein Werk wird ganz offensichtlich von eigenen alltäglichen Erlebnissen gespeist. Allerdings offenbart sich auch, dass er die Juristerei nicht so ernst nahm, wie es die meisten seiner Kollegen – damals wie heute – taten bzw. tun. Sein witziger Stil war in allen namhaften Zeitungen und Zeitschriften gefragt, da die Leser seinen Wortwitz und seine Schlagfer­tigkeit liebten.
So ist es nicht verwunderlich, dass Bachwitz auch zu den Mitarbei­tern der Wochenschrift „Der Drache“ in Leipzig zählte. Deren Be­gründer Hans Reimann (1889-1969) gehörte zu seinem Freundkreis und er­innert sich in „Wie ich den Drachen gründete“ dankbar an die Zusammenarbeit mit dem beliebten „Welt­mann, Rechtsanwalt und Bühnenschriftsteller“.
Zu seinem Freundeskreis zählte auch der Literaturwissenschaftler Georg Witkowski (1863-1939), denn beide waren aktive „Bungonen“. Das war ein literarischer Stammtisch, der von dem exzentrischen Rechtsanwalt Curt Hezel (1865-1921) – er war u. a. Verteidiger von Frank Wedekind in dem berühmten Prozess wegen Majestätsbeleidigung – ge­gründet worden war. Zu dem erlauchten Kreis gehörten aber nicht nur Literaten, sondern u. a. auch der namhafte Anwaltskollege Martin Drucker (1869-1947) und der Schauspieldirektor Alwin Kronacher (1880-1951) – übrigens auch ein promovier­ter Jurist jüdischer Herkunft. Man traf sich jeden Donnerstag nach dem Gewandhauskonzert im Ratskeller. Nach den Erinnerungen von Witkowski ging es dann hoch her. Es wurde kräftig getrunken, „und die Geister befeuerten sich, bis manchmal mit gewaltigem Schall die Sektflaschen an den Wänden zerschellten. Ebenso gewaltig flogen auch die Reden von al­len Seiten über den runden Tisch, geladen mit kühnen Gedanken und oft in deutschen, noch öfter in lateinischen und griechischen Ver­sen sich ergießend.“

© Hallesche Nachrichten vom 03.04.1926, S. 3

Hans Bachwitz zeigte eine bemerkenswerte Vielfalt in seinem literarischen Schaffen. Die Berufsbezeichnung „Schriftsteller“ erscheint deshalb zu allgemein, denn er war Bühnenautor, Librettist, Humorist und Erzähler. Die Liste der heute noch nachweisbaren Bühnenstücke, Romane, Erzählungen und Libretti ist erstaunlich lang.Seine literarischen Neigungen offenbarten sich dem interessierten Lesepublikum bereits im Jahr 1900. Schon der 18-jährige Pennäler hat in diesem Jahr seinen ersten „launigen“ Roman unter dem Titel „Der Weg ins Leidenschaftslose“ in einem Leipziger Verlag veröf­fentlicht. Dieser Roman ist heute leider nicht mehr nachweisbar und der Verfasser scheint ihn später als Jugendsünde eingestuft zu haben, die dem Vergessen anheim fallen sollte.
Später verlegte er seinen künstlerischen Schwerpunkt auf Bühnen­stücke. Bachwitz schrieb in schneller Folge die Libretti für Operetten und Schwänke mit kaum erklärungsbedürf­tigen Titeln wie: „Der verliebte Herzog“ (Musik: Jean Gilbert) 1917, „Wenn die bösen Buben locken …“ (Musik: Rudolf Gfaller) 1918, „Eheurlaub“ (Musik: Jean Gilbert) 1918,  „Ein armer Musikante“ (Mu­sik: Erich Berken) 1919 und „Eine Walzernacht“ (Musik: Rudolf Gfal­ler) 1919.
Doch den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er in den zwanziger Jahren mit eigenen Bühnenstücken, die in ganz Deutschland aufge­führt wurden. Sie waren so unglaublich erfolgreich, dass sogar der Broadway einige Werke von Bachwitz inszenierte: „The Love City“ hatte 1926 am Broadway Premiere und nach seinem Tode folgte 1931 „The Joy of Living“.
Dieser Erfolg führte dann auch zu Kinoverfilmungen. Das gemeinsam mit Hans Sturm verfasste Lustspiel „Liebe und Trompetenblasen“ wurde 1925 in der Regie von Richard Eichberg verfilmt, nach Rec­lams deutschem Filmlexikon „Eine brillante erotische Komödie mit Voyeurcharakter und Fetischisierungstendenzen.“ In der Hauptrolle: die 19-jährige Lilian Harvey! Zwei Jahre nach dem Tod des Autors verfilmte die Terra-Film in Berlin dann „Jennys Bummel durch die Männer“.

Am 24. August 1927 fand der Tischlermeister Franz Herde um ein dreiviertel Uhr den Leipziger Autor tot vor dem Hause Zähringer Straße 32 in Berlin.
Die Wiener Morgenzeitung schrieb am 27. August 1927:
„Hans Bachwitz gestorben. In Berlin ist der erfolgreiche Schwank­dichter und Humorist Hans Bachwitz im Alter von 55 Jahren gestor­ben. Von den zahlreichen Bühnenwerken, die er allein oder mit ei­nem Kompagnon verfasste, hatten ‚Yoshiwara‘, ‚Liebe und Trompeten­blasen‘, ferner ‚Kitty und die Weltgeschichte‘ und ‚Galante Nacht‘ besonderen Erfolg. Die Uraufführung seines letzten Werkes ‚Minna und das Plagiat‘, die in Berlin bevorsteht, sollte der Autor nicht mehr erleben. Bachwitz, der langjähriger Mitarbeiter großer deut­scher Zeitungen war, hat auch eine Reihe viel gelesener amüsanter Skizzensammlungen geschrieben, und einige Romane, deren letzter eben in der deutschen Presse erscheint.“
Aus dem Deutschen Bühnenjahrbuch für das Jahr 1928 (S. 114 f.) ergeben sich Details der Todesumstände von Hans Bachwitz:
„Auf der Fahrt vom Berliner Trianontheater nach seiner im Westen gelegenen Wohnung erlitt er einen Herzschlag, der sofort den Tod herbeiführte. Hans Bachwitz hatte erst vor kurzem seine Anwaltspraxis in Leipzig aufgegeben, um nach Berlin überzusiedeln und sich ganz der Bühne zu widmen.“
Das Trianontheater befand sich in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße 7. Eigentümer waren zu dieser Zeit die Brüder Alfred (1886-1933) und Fritz Rotter (1888-um 1939), deren Rotter-Konzern bis zum Bankrott im Jahr 1933 zahlreiche Theaterbühnen in Berlin betrieb. Die Brüder waren in Leipzig als Alfred und Fritz Schaie als Kinder jüdischer Eltern geboren. Es ist also möglich, dass Bachwitz die einflussreichen und umtriebigen Theatermanager schon aus Leipzig kannte.

Diese Notiz ist der einzige Hinweis darauf, dass Bachwitz durch seinen Umzug nach Berlin und die Aufgabe der Anwaltspraxis seinem Leben eine entscheidende Wende geben wollte. Dagegen spricht, dass er noch im April 1926 als Mitdirektor Verantwortung für das Neue Operettentheater Leipzig übernommen hat. Direktor war zu diesem Zeitpunkt Dr. Viktor Eckert geworden, welcher das Haus gepachtet hatte. (Hallesche Nachrichten vom 03.04.1926, S. 3 und Linzer Tagespost vom 07.04.1926, S. 6) Seine Anwaltszulassung hatte Bachwitz auch nicht aufgegeben. Die Löschung in der Anwaltsliste erfolgte erst auf Grund seines Todes.
Die beim Amtsgericht Leipzig erhalten gebliebene Nachlassakte gibt einen höchst deprimierenden Einblick in die Vermögensverhältnisse des erfolgreichen Autors zum Zeitpunkt seines Todes: Zum Nachlass gehörten hiernach nur seine Werke, die mit ca. 2000 RM bewertet wurden. Dem standen jedoch Nachlassschulden in Höhe von 17000 RM gegenüber. Das Vermögen der Witwe war durch die Inflation verloren gegangen. Ihre Schmucksachen musste sie ver­pfänden.
Hans Bachwitz fand seine letzte Ruhestätte in Leipzig auf dem alten jüdischen Friedhof in der Berliner Straße in dem Familiengrab Littauer, seiner Schwiegereltern. Es ist dort ein Jahr später auch seine Mutter Auguste Bauchwitz beigesetzt worden. Noch heute erinnert eine kleine, immer weiter in der Erde versinkende Grabplatte an den Leipziger Schriftsteller.
Seine Frau Fanny war im Juni 1938 – also wenige Monate vor der be­rüchtigten Polenaktion – in ihre Heimatstadt Lodz zurückgekehrt. Sie heiratete ein Jahr später in Warschau Julian Rawicki. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Es muss befürchtet werden, dass sie Opfer des Holocaust wurde.

Bis 1933 wurden die Bühnenstücke des Humoristen weiter aufgeführt und seine Erzählungen postum veröffentlicht. Das änderte sich schlagartig mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Die Werke des jüdischen Autors wurden verboten und fielen der Vergessenheit anheim. Erst 1957 wurden in einem Münchner Verlag die amüsanten Geschich­ten „Wetten – Sie lachen!“ neu aufgelegt.
Danach fielen die Werke von Hans Bachwitz bis zum Jahr 2002 erneut in Vergessenheit. In diesem Jahr gaben Monica und Wolfgang U. Schütte eine Geschichte der Leipziger Wochenschrift „Der Dra­che“ heraus, in der erstmals wieder an den Humoristen und Mitarbeiter dieser Wochenschrift erinnert wurde.
Gerade in Leipzig ist es heute ein fast aussichtsloses Unterfangen, eine Lanze für das Boulevardtheater der Weimarer Republik zu bre­chen. Es ist aber eine Tatsache, dass diese Theaterform in Leipzig neben dem avantgardistischen Theater, für welches in Leipzig Namen wie Ernst Krenek (1900-1991) und Walther Brügmann (1884-1945) standen, ebenfalls ihren Platz hatte.
Dass eine vorurteilslose Neubewertung der Boulevardkomödie nötig ist, bewies im Jahr 2009 eine Tagung des Frankfurter Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Dort wurden neben Otto Ernst Hesse (1891-1946) und Bruno Frank (1887-1945) spe­ziell auch die Stücke von Hans Bachwitz in den Fokus genommen.
Nachfolgend werden einige der besten Geschichten aus dem 1927 im Leipziger Oscar Paulus Verlag erschienenen Bändchen „Prozesse und Paragraphen. Allerhand Lustiges über allerhand Trauriges“ vorgestellt. Für die Auswahl sprach die explizite Verbindung dieser Geschichten mit dem Anwaltsberuf des Autors. Der Untertitel, der für diese Fundsachen zum Haupttitel erhoben wurde, spiegelt das Schicksal des Autors, welches ein lebenslanges Wechselspiel zwischen Humor und Tragik war.
Die Literaturgeschichte ist voll von Helden, die dieses Schicksal teilen. Einer der auch heute noch bekanntesten ist wohl Don Quichotte. In seinem Roman „Leute, die sich lieben“ lässt Bachwitz seinen Helden sagen:
Don Quichotte könnte von überall herstammen, er ist ein kosmopolitischer Typus, der nichts von seinem rührend-komischen Pathos einbüßen würde, läge seine Heimat auf den Lofoten oder in der Provinz Kwang-Sün. Er ist ewig, und je älter die Welt wird, desto lebendiger werden in ihr die Don Quichottes.   … je mehr er dem Spott derer verfällt, die sich erhaben dünken, weil sie ihn nicht verstehen, desto mehr hat er Anspruch auf die Liebe und das Mitgefühl aller, die ihn verstehen!