dr. jur. Hubert Lang

Hans Bachwitz

Theater des Westens Berlin
Erschienen in: Der Humorist vom 11.09.1917, S. 11

Im Westentheater trat der neue „Gilbert“ in Erscheinung. Die Herren Okonkowski und Hans Bachwitz hatten dem Meister ein Operettenbuch ins Haus geschickt, das sie nach des berühmten Hackländer „Der geheime Agent“ fabriziert hatten. Dabei machten es sich die beiden Herren nicht so schwer. „Hackländer“, fühlten sie, „war eine bessere Nummer als wir.“ Und darum nahmen sie aus dem Original ganze Dialogstellen in ihr „Werk“ hinüber. Allerdings erfanden sie auch was dazu. Sie wollten ja eine Operette schreiben. Herr Gilbert fand sich mit dem Wert des Textes sofern verständnisinnig ab, als auch er nicht darnach strebte, der Welt nur Neues und Ueberraschendes zu bieten. Er dachte, was man Gutes und Einschmeichelndes hundertmal gehört hat, kann man auch hundertundeinmal hören und er freute sich, als er an dem Jubel des Publikums merkte, daß er sich als hervorragender Menschen- und Geschmackskenner erwiesen hatte. Natürlich hat er auch ein paar neue, originelle und echt Gilbert’sche Reißer komponiert, die zündeten und auf stürmisches Verlangen wiederholt werden mußten. Was jetzt im Westentheater Operette spielt, ist ungleichwertig. Guido Thielscher, Franz Groß und eine neue Dame, Paula Zulka, lassen mit ihren prächtigen Darbietungen den Besuch dieser Operettenbühne aber vollkommen berechtigt und lohnend erscheinen.
J. V. : J. L.

Mellini-Theater Hannover
Zum Jubiläum des verliebten Herzogs
Erschienen in: Hannoverscher Kurier vom 30.05.1918, S. 6

„Waren Sie schon im Mellinitheater?“ „Nein?“ „Dann bitte versäumen Sie nicht, sehr bald hinzugehen. Wie ich Ihnen verraten kann, ist man in dem Kunsttempel in der Artilleriestraße schon seit einger Zeit mit Proben zu einem neuen Werk beschäftigt, eine Tatsache, die vielleicht darauf hindeutet, daß man über kurz oder lang den „verliebten Herzog“ vom Programm absetzen wird. Sie meinen, das werde nicht geschehen, weil das Theater fast Abend für Abend ausverkauft sei, und die Direktion doch ein Werk, das eine derartige Zugkraft ausübt, nicht einfach in der Versenkung verschwinden lassen werde? Das ist ein falscher Schluß. Auch „Die Rose von Stambul“ bewies nach 100 Aufführungen noch eine Zugkraft wie in den ersten Tagen, und trotzdem mußte sie der „Liebe im Schnee“ Platz machen, dieser musikalisch wertvollen Operette, die aber ihrerseits nach wenig mehr als 50 Vorstellungen in dem „verliebten Herzog“ einen Nachfolger fand, nicht etwa, weil sie verminderte Anziehungskraft aufgewiesen, sondern lediglich deshalb, weil kontraktliche Verpflichtungen die Direktion zwangen, einen Wechsel im Programm eintreten zu lassen. Ob es nicht mit dem „verliebten Herzog“ ebenso gehen wird? Leicht kann es doch nicht sein. Deshalb nochmals den Rat: „Bitte sehen Sie sich schleunigst die Operette an!“ „Ob sich der Versuch lohnt?“ fragen Sie, aber selbstverständlich. Lesen Sie denn keine Zeitungen? Fast sieht das so aus, denn sonst hätten Sie doch lesen müssen, daß mit seltener Uebereinstimmung alle hiesigen Blätter, die ansprechende Handlung, die flotte Musik loben, daß die gesamte Presse der Direktion für diese wunderbare Inszenierung, der Spielleitung und den Darstellern für die vorzügliche Aufführung Dank sagte.
Un das muß man der Operette „Der verliebte Herzog“ lassen, sie ist ein reizvoller Werk moderner Operettenschöpfung. In Text und Musik trifft sie das, was man schätzt, ohne sich in Flachheiten zu verlieren. Eine heitere, viel Gelegenheit zur Komik bietende Handlung, hier ein bißchen Sentimentalität, dort tollen Uebermut, hier Stimmung, dort Scherz und Laune in den Vordergrund stellend, immer flott, immer Wechsel in die Szenen bringend, diese äußerst lebhaft gestaltend, dabei stets sinngemäß bleibend, so etwas gefällt mit Recht, so etwas muß gefallen.
Und dazu tritt dann die Musik, eine Musik ganz Gilbert und dabei doch wieder auch etwas Neues aufweisend. Gilbert in der Weise, daß sie sich durch leichten Fluß auszeichnet, daß eine Fülle an Schlagern, eine Menge der reizendsten Lieder, ein Reichtum an Duetten, Terzetten und Tanzliedern in ihr enthalten sind, Melodien, deren geschickte Tonfolge sie schmeichelnd erklingen, sie leicht festhalten läßt. Und die Musik ist auch in der Weise ganz Gilbert, daß sie in jedem Schlager stets ganz vornehm bleibt, daß sie wohl dem Geschmack des Publikums entgegenkommt, sich aber trotzdem auf einer anerkennenswerten Höhe hält, sich nie verliert, sich nie wegwirft. Und neu ist Gilbert in diesem Werke seiner liebenswürdigen Muse, daß er in ihm mehr denn sonst in einem seiner Werke Wert auf eine ebenso wirksame, wie künstlerisch auf der Höhe stehende Instrumentierung gelegt hat. Und da ist nun auch etwas Besonderes geworden, etwas, das den Stimmungskünstler wie den tüchtigen Musiker, den hochbegabten, wie auch den fleißigen und mit der Wirkung der Instrumente gut vertrauten Komponisten kennzeichnet.
Wenn so Textdichter und Komponist Gutes geleistet haben, wenn sich diese beiden so aneinander anpassen und sich gegenseitig ergänzen, dann muß doch etwas Wirksames entstehen. Und das ist auch entstanden. Und jeden Abend stellt das Publikum durch zahlreichen Besuch – immer noch muß man hier Tage vorher die Plätze bestellen – und durch lebhaftesten Beifall fest, daß es Verständnis für das Gebotene, Sinn für dessen Güte hat. Und durch seinen lebhaften Beifall zeigt es, daß  es mit der Aufführung einverstanden ist, die ganze Aufmachung ihm gefälltm daß die Leistungen der einzelnen Künstler ihm zusagen. Und das muß auch der Neid zugeben, die Dirketion hat für den „verliebten Herzog“ wieder einen Rahmen geschaffen, der einfach blendend ist, der den guten Geschmack sowie den praktischen Blick bestätigt, der aus dem Vollen, keine Kosten scheuend, geschaffen hat, andererseits auch wieder vornehme Einfachheit nicht vermissen läßt. Was sich im 2. Akt dem Auge darbietet, ist direkt ein Gedicht. Und die Aufführung an sich ist auch ganz Mellinitheater, das heißt, erstklassig, ohne Tadel. Senius und Jankuhn, Harden und Becke, die Damen Sild, Boje und Ronell, sie alle finden Gelegenheit, ihr schönstes Können zu zeigen, durch ihren Gesang, durch ihr Spiel das Publikum fortzureißen. Und das Orchester unter (Eduard) Czajaneks sicherer Leitung ist ebenfalls auf der Höhe. Wenn sich so alles miteinander vereint, dann muß der Erfolg da sein. Und er ist da. Abend für Abend ist das Theater ausverkauft. Und Abend für Abend spendet das Publikum Beifall, und ist nicht eher zufrieden, als bis die wirksamsten Liedergaben wiederholt sind. Und Blumen und sonstige Aufmerksamkeiten wandern auf die Bühne. Und so wird es auch morgen sein gelegentlich der 25. Aufführung, dem ersten Jubiläum des „verliebten Herzogs“. Nur daß da der Andrang noch größer, der Beifall noch stärker sein und daß es Blumen regnen wird.
„Und Sie haben den verliebten Herzog noch nicht kennengelernt?“
„Versuchen Sie schleunigst seine Bekanntschaft zu machen, es wird Sie nie gereuen.“

Stadttheater Bielefeld
„Der verliebte Herzog“
Erschienen in: Westfälische neueste Nachrichten vom 12.04.1920, S. 2

Gilberts Operette fand gestern beim Sonntagspublikum eine sehr gefällige Aufnahme, obgleich sich weder der Musik noch dem Text Orginalität und und glückliche Erfindung nachrühmen lassen. Der Komponist, dessen Melodienborn einst so lebhaft sprudelte und plätscherte, machte bei seinem besseren Ich aus vergangenen Tagen Anleihen und Georg Okonkowski und Hans Bachwitz, die als Librettisten immer schon nach berühmten Mustern arbeiteten, bemächtigen sich diesmal Hackländers „Geheimen Agenten“. Sie brachten aber mit der Persiflage des Hoflebens aus früherer Zeit doch nur ein Opus zustande, das in unseren Tagen der Residenzlosigkeit umso weniger erwärmt, als der zur Würzung verwendte Humor recht zwangsläufiger Art ist. Angesichts solch‘ unverkennbarer Schwächen des Stückes war es umso verdienstvoller, daß unsere Künstler redlich das Ihrige taten, einen Erfolg zu erstreiten. Vor allem die Vertreter des humoristischen Elements: Kurt Maedicke, der als glatzköpfiger und zipperleinbeschwerter Oberhofmarschall dank seiner so dezenten und fein nuancierten wie wirkungsvoll-beweglichen Komik Stürme von Heiterkeit entfesselte, und Paul Liebert als Staatsminister und einstiger Kaverallist, der in hohen Reiterstiefeln und rotem Rock, mit weißer Perücke und à la Havy aufgezwirbelten Schnurrbart vortrefflich aussah und mit der drolligen Gestaltung des alten Höflings starken Effekt erzielte. Die Prinzeß Arsena gab Susi Pauly stimmlich nicht so gut wie sonst disponiert, darstellerisch dagegen mit Grazie und Eleganz, die Prinzeß Alix Toni Marius vorteilhaft aussehend und mit dem erforderlichen sentimentalen Einschlag in Spiel und Gesang. Der lebensfrohe Herzog, dem die eine der beiden Schönen staatsvertraglich bestimmt ist, die andere aber das Herz bezwingt, fand in Anton Diegel einen höchst repräsentativen Vertreter. Der Herzogin-Mutter verlieh Margarete Voigt Charme und höfische Würde, während Franz Froneck einen jungen Grafen, der mit Prinzeß Alix das zweite glückliche Paar bildet, mit gewohnter Liebenswürdigkeit ausstattete und überdies als umsichtiger Spielleiter für hübsche Bühnenbilder sorgte, die durch geschmackvolle Tänze eine4 lebhaft bewegte Note erhielten. Elisabeth Horn, unsere Primaballerina, die sie mit Sorgfalt arrangiert und einstudiert hatte, führte selbst Dvoraks „Slavischen Tanz“ aus, leidenschaftlich und doch in weichen Linien, ein malerisches Bild voller Anmut, von dem nur zu bedauern war, daß es – warum nur? – arg in den Hintergrund gedrängt, einem großen Teil des Hauses unsichtbar blieb. Am Dirigentenpult saß Walter Welschoff, der wohl etwas feuriger hätte ins Zeug gehen und dem Orchester etwas mehr Farbe hätte verleihen können.
Das Publikum, froh gelaunt, ließ es an dankbarem Applaus und köstlichen Blumengaben nicht fehlen.
-tz.