dr. jur. Hubert Lang

Hans Bachwitz

Zum Geleit!

Als Hans Bachwitz am 23. August 1927 starb, hatte er sich als Schriftsteller längst durchgesetzt. Als Verfasser zahlreicher Lustspiele und Schwänke kannten und schätzten ihn nicht nur die deutschen Bühnenleiter, auch beim Publikum war der witzige Bühnenplauderer Bachwitz so beliebt geworden, daß er eine Zeitlang der meistgespielte Autor in Deutschland war.
Dem Theater hatte zeit seines Lebens seine ganze Liebe gehört. Aber obwohl er hier seine ersten und später auch mit seine stärksten Erfolge hatte, ist er doch als – Erzähler in die Literatur eingetreten.
Eben dem Pennal entwachsen, schrieb der Achtzehnjährige den launigen Roman „Der Weg ins Leidenschaftslose“, der dann auch in einem Leipziger Verlag erschienen ist. Sein Verfasser hat5 ihn später allerdings insofern verleugnet, als er ihn seinen Freunden gegenüber niemals erwähnt hat.
Als auf dem Höhepunkt der Inflation das Stückeschreiben eine immer fragwürdigere Beschäftigung geworden war – die Mehrzahl der Theater zahlte entweder überhaupt keine Tantiemen mehr oder aber so verspätet, daß sie bei der rasch zunehmenden Geldentwertung zuletzt nichts mehr bedeuteten – erinnerte sich Hans Bachwitz seiner Erzähler-Begabung. Er begann nun jene scharf pointierten Humoresken zu schreiben, die ihn schnell auch als Erzähler bekannt machten. In allen namhaften Zeitungen und Zeitschriften begegnete man diesen witzigen Plaudereien, die sich außer durch schlagende Situationskomik vor allem auch durch Wortwitz, durch lustige Verballhornung bekannten und bewährten Sprachguts, nicht minder auch durch ausgesprochen satirischen Unterton auszeichneten, der den scharfen Beobachter und Menschenkenner verriet. Bachwitz‘ Produktivität auf diesem Gebiet war außerordentlich; in rascher Folge erschienen diese Kurzgeschichten in den Bändchen „Fratzen“, „Bibimatzgeschichten“ (von denen in diesem Herbst eine zweite Folge aus dem Nachlaß herauskommt), „Reinfälle mit Damen“, „Prozesse und Paragraphen“, „Wetten, Sie lachen!“.
Durch den starken Erfolg ermutigt, machte er sich 1926 an seinen ersten humoristischen Roman „Jennys Bummel durch die Männer“, der inzwischen auch verfilmt worden ist. In unmittelbarem Anschluß daran ließ er den „lachenden“ Roman „Leute, die sich lieben“ folgen, dessen Abdruck in einer Leipziger Zeitung er nicht mehr erleben sollte. Gerade diese Arbeit zeigte deutlich, daß man im humoristischen Roman von Bachwitz noch manches Gute hätte erhoffen dürfen.
Möglicherwiese aber hätte das Schaffen der Fünfundvierzigjährigen seine gewichtigste Note erst noch erhalten, hätte ihn der Tod nicht so plötzlich die Feder aus der unermüdlich fleißige Hand genommen: Bachwitz hatte im letzten Jahre seines Lebens einige ernste Erzählungen veröffentlicht, die seine Begabung von einer ganz anderen Seite zeigten. Schon der „Glückshändler“ mit der an die Gestalten E. Th. A. Hoffmans erinnernden Figur des ehemaligen Superkargo Orivois machte aufhorchen. Es folgten „Kleine Galanterie“, „Der Pechvogel“, „Lord Bentkams Geliebte“ und vor allem „Weib an Bord“, düstere Erzählungen von Schicksalen, wie sie auch einem Hoffmann oder Poe zu dichterischer Gestaltung hätten reizen können.
Gewiß, Bachwitz hatte den besonderen Stil für diese Art Erzählungen noch nicht ganz rein ausbilden können, dafür war er zu lange „Humorist“ gewesen. Ebenso sicher ist es aber, daß er auch in diese Form hineingewachsen wäre. Der Tod hat hier eine Entwicklung unterbrochen, die uns sicher Wertvolles, wahrscheinlich sogar das Wertvollste geschenkt hätte, was Bachwitz zu geben imstande war. Daß eine grausame Laune des Schicksals ihn verhindert hat, die vielleicht beste Seite seiner Begabung in sich zur Reife zu bringen, war die Tragik in seinem unvollendet gebliebenen Schriftstellerleben.
Mit voller Absicht habe ich deshalb in dieser aus dem Nachlaß zusammengestellten Sammlung die ernsten Stücke an den Schluß gestellt. Der Leser soll als letzten Eindruck aus diesem letzten Buch von Hans Bachwitz die Erkenntnis gewinnen, daß wir ich ihm nicht nur einen Humoristen, sondern einen Erzähler mit starkem Können schlechthin verloren haben.
Diese Erkenntnis, die ich außerdem noch aus vielen unvollendet gebliebenen Entwürfen in seinem Nachlaß gewonnen habe, auch in seinen zahlreichen Freunden zu wecken, war der letzte Dienst, den ich dem dahingegangenen Freund leisten zu müssen glaube.

Leipzig, August 1928

Fritz Mack