dr. jur. Hubert Lang

Hans Bachwitz

Geschäfte

Als mir der große Corner mit den gefütterten Bärenschwänzen auch mißglückt war, verfiel ich mehrere Wochen in Trübsal und Geschäftsaufsicht. Mein Freund T. hatte mir eines Tages gesagt, wenn ich garantiert Millionär werden wolle, dürfte ich mir die bestimmt einsetzende Hausse in gefütterten Bärenschwänzen nicht entgehen lassen. Im Winter würde jede bessere und jede schlechtere Dame gefütterte Bärenschwänze als Muffgarnitur tragen. Man würde sich nach Bärenschwänzen anstellen wie nach rotgestempelten Tausendmarkscheinen (mit denen ich auch kein Ei hinterm Huhn vorlockte) und wie nach Karten zum Boxmatch, wo ich von meinem Vordermann einen Schwinger auf den Bauch kriegte, daß ich aussah wie ein expressionistisches Fragezeichen. Mein Pech ist so groß, daß es den Mount Everest in sämtliche Schatten stellt. Ich fragte nun T., woher man gefütterte Bärenschwänze bekäme. Die liefere er, meinte T., ich solle nur für Abnehmer sorgen. Und er gab mir eine Liste, auf der waren die renommiertesten Kürschnerfirmen verzeichnet. Ich solle die Herren aufsuchen und Abschlüsse machen. Prompte Lieferung, netto Kasse, in verzweifelten Fällen Dreimonatstratte franko Protestspesen. T. gewährte mir eine Mark Vertrauensspesen, und ich zitterte los. Es glückte mir, kolossale Aufträge zu bekommen. Jeder wollte tatsächlich gefütterte Bärenschwänze haben, und ich erkundigte mich bereits bei einem beleidigten Bücherrevisor nach den steuerlichen Grundsätzen bei einem Einkommen von einer Million aufwärts.
Als ich 378 000 gefütterte Bärenschwänze fest abgeschlossen hatte, wurden die ersten Lieferungen fällig, und die Firmen mahnten mich. Ich mahnte T. T. meinte, er denke nicht daran, jetzt schon zu liefern, wir sollten die Leute nur zappeln lassen, dann würden sie uns drei Mark pro Schwanz zulegen. Ich erwiderte, sie würden einen gerösteten Erdäpfelschmarrn tun und mir wäre eine Wurst im Magen lieber als eine Auster auf der Speisekarte, aber T. lieferte dennoch nicht. Worauf die Firmen, eine nach der anderen, mir die bekannte Galgennachfrist setzten und hierauf vom Vertrage zurücktraten. Mir erwuchs ein barer Schaden von vielen hunderttausend Mark, und ich klagte einen Teilbetrag von fünfzig Mark gegen T. ein, weil ich nur achtzig Pfennig Vorschuß zahlen konnte. Zu dem Termin lud ich meine sämtlichen Gläubiger ein, damit sie sich mit mir über die Verurteilung T.s freuen sollten. Das Gericht war infolgedessen ausverkauft. Aber der Erfolg war ein Durchfall, denn das Urteil stellte fest, daß es überhaupt keine Bärenschwänze gebe, und daß deshalb kein Mensch verpflichtet sei, welche zu liefern. Offenbar hatte T. sich nur einen Scherz machen wollen, und ich hätte als erwachsener Mensch diesen Scherz durchschauen müssen. Hätte meine Intelligenz dazu nicht ausgereicht, so müsse ich eben zu dem Schaden noch den Spott tragen. Und die Kosten. Ich war wie vom Ei gerührt. Ich stürzte in die Senkgrube der Verzweiflung! Es gab gar keine gefütterten Bärenschwänze?? Ich ging auf T. zu und hieb ihm eine Extraportion Gehörfeigen herunter. Für zwanzig Markbeziehungsweise fünf Tage Haft. Beides blieb ich schuldig und verließ eine Stadt, die dem Bären keinen Schwanz und mir keine Provision zubilligen wollte.
In K. versuchte ich, die Blüte meines Weizens aufs neue anzufachen. Ich will berichten, weshalb infolgedessen meine Drüsen tränenleer wurden.  Ich machte die Bekanntschaft eines gewissen Theobald Schleppfuß, der seit seinem ersten Lallen der deutschen Literatur als passives Mitglied angehört. Er sollte viele Richtungen entdeckt haben, von denen keine zum Ziele führte. Sein Spezialgebiet war ff. Erotik in lyrischer Verpackung. Auch ein umfangreiches Filmmanuskript „Soll die Mutter Weib werden? Die Hölle des Paragraphen 218!“ legt Kunde ab von der selbstlosen Hingabe Schleppfußens an die Erotik und ihre unerwünschten Konsequenzen. Leider wurde der Film nie gedreht, und so ist die Hölle des ominösen Paragraphen immer noch im Schwange.
Schleppfuß hatte eine fulminante Idee. Eine Idee, von der Dichterheroen von Klopstock bis Hasenpfeffer neidlos das Antlitz verhüllt hätten. Er wollte ein handliches Büchlein verfassen, und darin ein Abführmittel anpreisen, das eine ihm bekannte chemische Fabrik seit Jahren auf Lager hatte und zu Weihnachten gratis an die Angestellten verteilte. Um die Lektüre des Heftchens schmackhaft zu machen, sollte es den Titel tragen: „Nur für Erwachsene!“ Jedem Deutschen sollte es unter Kreuz- und Querband ins Häuschen flattern. Stren diskret und zugeklebt. Der Sendung sollte ein Begleitschreiben beiliegen, daß der Empfänger das Heft entweder zurücksenden oder den mäßigen Preis von fünfundsiebzig Pfennig in Briefmarken, Bettlerschecks oder auch durch Zahlkarte entrichten möge. Falls der Empfänger den Vorschuß des Heftchens lösen sollte, so könnte keine Rücknahme erfolgen, wir würden vielmehr in dieser Handlung eine Annahme und ein Schuldanerkenntnis erblicken. Diese Stilisierung  hatte der Syndikus unserer G.m.b.H. entworfen, Herr Winkeladvokat Trällerer, und sie imponierte uns sehr. Wir gingen sofort tatkräftig an die Arbeit, das heißt wir engagierten zehn brot- und salzlose Damen, die den ganzen Tag verpackten und Adressen schreiben mußten. Wir gedachten, die ganze bewohnte Erde mit unserer Lektüre zu verseuchen und waren des Erfolges sicher.
Der Erfolg war der, daß weder ein Heft zurückkam noch irgend jemand die fünfundsiebzig Pfennig bezahlte. Die Abführmittelfabrik, die über Geheimkonto E. das Unternehmen finanziert hatte, wollte uns schadenersatzpflichtig machen. Schnelle Hilfe tat not, und da uns nichts mehr ein- noch ausfiel, wandten wir uns an den Syndikus. Herr Trällerer nahm das Gebiß aus dem Munde, pfiff durch die Zähne und meinte, das sei ein Kinder- und Kegelspiel, er habe schon heißere Kartoffeln mit dem Messer gegessen, sein Kopf sei kein Plattfuß, und was der besseren Sentänzchen mehr sind. Hierauf setzte er sich hin und verklagte erst einmal zweihundert Empfänger des Heftchens auf Zahlung von je fünfundsiebzig Pfennig samt Verzugszinsen. Die Prozeßkosten streckte die chemische Fabrik noch einmal vor, bemerkte aber hochachtungsvoll, daß sie nicht gesonnen sei, weitere Summen in dem Unternehmen zu investibülisieren. Und Herr Trällerer möge die Sache beschleunigen, denn er kenn wohl den Grundsatz: „Thieme is Portmonney!“
Wenn trotzdem nach drei Monaten noch keiner der zweihundert Prozesse entschieden war, so lang das nicht an Herrn Trällerer, sondern an den Gegnern, die bemerkten, sie seien nicht verpflichtet, ein Jota zu bezahlen. Unsere Sendung sei eine unverlangte Offerte gewesen, auf die niemand zu reagieren gebraucht hätte. Ja, meinte Herr Trällerer satanisch, das sei schon recht, und er kenne das Gesetz, daß er zum Fürchten sei, und ob denn die zweihundert Gegenparteiler nicht gelesen hätten, daß gewaltsame Öffnung des versiegelten Heftes als Annahme betrachtet werde? Und ob sie das Heft geöffnet, und ob sie es gelesen hätten? Und ob sie nun zahlen wollten oder nicht? Und sie sollten sich ja in acht nehmen, sonst würde er ihnen etwas von Unterschlagung erzählen, da würde ihnen die Hose aufs Herz fallen.
Wir, das heißt die Mitglieder der G.m.b.H., applaudierten wie die Löwen, aber die zweihundert machten den größeren Krakehl, und wir mußten uns bis hinter den Verhandlungstisch zurückziehen, sonst hätten sie uns geluncht. Hierauf machte das Gericht einen Vergleichsvorschlag, und sofort waren beide Parteien wieder einig, indem sie gemeinsam erklärten, sie dächten gar nicht daran. Nunmehr wurde der Termin erst vertagt, dann verwochend und schließlich vermonatet.
Damit war unserer G.m.b.H. nicht gedient, denn wir pfiffen auf dem letzten Schlüssel. Trällerer meinte, es sei vielleicht gut, wenn wir die gesamten Außenstände für zehn Prozent an einen gutgläubigen Dritten abtreten würden, und er wissen vielleicht schon einen Dritten. Aber erst der Zehnte biß an. Das war ein junger Mann, dem einmal im Schlafe ein Sandsack auf den Kopf gefallen war. Einen anderen Beruf hatte er nicht. Trällerer machte alles. Er legte uns einen Schein vor, nach dem wir unsere Forderung an (hier folgten die Namen unserer gesamten Nichtabnehmer) für tausend Reichsmark in bar an Herrn Liebemirsch – so hieß der Abtreter – übertrugen. Am folgenden Tage sollte das Geldbezahlt werden, und wir freuten uns, daß wir wieder einen Strohhut hatten, an den wir uns klammern konnten.
Am anderen Tage aber verbleichte Theobald Schleppfuß eines ebenso jähen, wie unerwarteten Endes. Wir fanden ihn auf der ungescheuerten Diele seiner Mansarde ausgestreckt, einen zerknitterten Brief in den erstarrten Fingern. Mühevoll lösten wir das Dokument und lasen mit hervortrabenden Augäpfeln, daß Trällerer ihm, Schleppfußen, darin mitteilte, er habe sich erlaubt, die tausend Reichsmark zu kassieren und auf Prozeßkosten zu verrechnen. Mit Rücksicht darauf, daß die Sache für uns faul stünde, müsse er sehen, wie er zu seinem Gelde komme.
Das waren zwei Fliegen auf einen Schlag. Erst die Gaunerei Trällerers und im selben Atem das gräßliche Ende Theobalds. Offenbar hatte den Ärmsten der doppelte Schlag getroffen, wie Hiob mit der Post zu ihm gekommen war. Ich neigte mich nieder, um ihm die Augen auszudrücken, und da merkte ich, daß Theobald gar nicht tot, sondern stockbesoffen war.
Darauf haben wir ihn, ich weiß noch nicht warum, fürchterlich verdroschen.
Ich habe mich jetzt an einer Haarnadelfabrik beteiligt, weil mir eine sichere Quelle zumurmelte, demnächst würde der Bubikopf zum alten Zopf zurückkehren. Aber hol’s der Teufel, ich traue dem Frieden nicht mehr recht. Optimismus ist der erste Nagel zur Pleite.